In den letzten Jahren gingen Sichtmeldungen zur Äskulapnatter aus den Bereichen Bahnholz und Neroberg ein (Stadtgebiet Wiesbaden). Diese Meldungen wurden letztlich bestätigt und initiierten eine Bestandsaufnahme sowie ein Äskulapnatterprojekt auf dem Geländer des ehem. Hofguts Geisberg, jetzt EVIM-Jungendhilfe.
Dokumentation des Vorkommens 2010/2011
Inhaltsverzeichnis (klicken zum Ausklappen)
Die kreisweite (Wiesbaden eingeschlossen) Bestandsaufnahme der Reptilien im Jahr 1997 durch die jeweils vor Ort vertretenen Naturschutzverbände unter Federführung des Vereins Naturschutzhaus führte zu einer Fülle von Sichtungen, die telefonisch und per Mail bei uns eingingen.
Durch die gute und umfassende Berichterstattung der Medien (Tageszeitungen, HR, Radio Rheinwelle) war insbesondere die Äskulapnatter einige Zeit lang Tagesgespräch.
Viele neue Erkenntnisse ergaben sich durch diese Veröffentlichungen.
Beispielsweise gingen aus Bad Schwalbach Beobachtungen ein, die dann nach einigen Besuchen der Örtlichkeiten zweifelsfrei als Vorkommen der Äskulapnatter dokumentiert werden konnten. Konkret bekannt war diese Tatsache bis zu diesem Zeitpunkt nicht.
Umfeld des ehem. Hofgut Geisberg
- 1997 gingen Sichtmeldungen zur Äskulapnatter aus den Bereichen Bahnholz und Neroberg ein.
- 2001 aus der hinteren Taunusstraße ( parkähnlicher Garten mit Bruchsteinmauer)
- 2004/ 2005 Bereich Bahnholz/Eigenheim – bei Neubauarbeiten
- 2005 Bereich oberes Tennelbachtal – nahe Rosenfelder Wiesen
- 2004 u. 2006 Jonas-Schmidt-Straße und Freseniusstraße/Dambachtal
Bei allen Meldungen und Beobachtungen war allerdings weder Fotonachweis , Natternhemd, Totfund o.ä. Indizien vorhanden, so dass wir lediglich die Meldung registrierten, nicht aber in die Kartierung aufnahmen.
Punktuell gingen wir bestimmten Fundmeldungen nach. Wer allerdings die versteckte Lebensweise der Äskulapnatter kennt und gleichzeitig gerade im bebauten Randbereich die Grundstücksgrenzen zu respektieren hat, stößt hier bei der ehrenamtlichen Arbeit an noch ganz andere -auch berufliche- Grenzen.
Erst im Jahr 2010 konnte unsererseits ein konkreter Fund in Form einer verletzten Äskulapnatter nachgewiesen werden. Das Tier war bei Mäharbeiten unter das Messer gekommen und verendete während der Versorgung nicht etwa an den Folgen der Schnittverletzung, sondern durch die Rückgratverletzung, die zusätzlich durch das Überfahren mit dem Mäherreifen verursacht wurde.
Gleichzeitig stellte uns der Schulleiter der EVIM-Jugendhilfe, Herr Kopplow, ein mit Handy aufgenommenes Video zur Verfügung.
Die knapp 30 sek. lange Aufnahme zeigt zwei Äskulapnatter-Männchen beim sog. Kommentkampf auf dem Gelände des ehem. Hofguts Geisberg.
In 2010 gingen noch einige Sichtbeobachtungen vom angegebenen Gelände ein, denen dann unsererseits konkreter nachgegangen werden sollte.
Für das Jahr 2011 wurde mit Herrn Kopplow und Herrn Weber eine genauere Beobachtung des Geländes durch Mitarbeiter des Naturschutzhaus vereinbart, die ab Mitte April 2011 dann regelmäßig durchgeführt wurde.
Bestandsaufnahme in 2011
Bei unserem 1. Besuch des Grundstücks am 3.4.2011 wurden zu Überprüfungszwecken an 5 verschiedenen Stellen im Gebiet schwarze Folien (ca. 80×80 cm) ausgelegt. Weiterhin wurden 2 Plätze mit kleinem Holzstapel und schwarzer Abdeckung aus Wellpappe angelegt, da diese – wie auch die Folien – erfahrungsgemäß von Reptilien sehr gern als Aufwärmmöglichkeit und Ruheplatz genutzt werden.
Eine Bestandsaufnahme der evtl. auf dem Gelände vorhandenen Äskulapnattern gestaltete sich im Gegensatz zu unseren ehemaligen Untersuchungsgebieten am Sommerberg, Kloster Eberbach oder Walluf und Rebhang extrem schwierig.
Einerseits grenzen rundum Grundstücke an, die nicht begehbar sind und sich in den unterschiedlichsten Gestaltungsvarianten darstellen.
Das Gelände des Bundeskriminalamtes ist aus Sicherheitsgründen nicht begehbar; außerdem fehlen die für die Äskulapnatter notwendigen Strukturen und Biotopelemente fast völlig.
Die anderen Grundstücke sind mit Zaun abgegrenzt und werden mehr oder weniger aufwendig gepflegt. Einige wenige Nachbarn haben vorrangig (sicher eher aus optischen Gründen) Felslandschaften und Gabionenabgrenzungen gewählt, die aber selbst bei intensiverer Pflege einen gewissen Biotopwert darstellen.
Nur ganz wenige der Nachbargrundstücke sind richtiggehend naturnah belassen oder entsprechend gestaltet.
Das Gelände des ehemaligen Hofguts Geisberg
Der Anlass einer genaueren Dokumentation ergab sich aus der Summierung der aktuellen Funde und der Meldungen und Sichtungen der Äskulapnatter aus dem größeren Umfeld des Geisbergs seit dem Jahr 2004.
- Gartengelände am Eigenheim,
- Neroberg – Mauer bei den Löwen/Kriegerdenkmal,
- Dambachtal – Freseniusstraße, Händelstraße,
- Tennelbachtal,
- ehem. Hofgut Geisberg.
Das Gelände des ehemaligen Hofguts Geisberg besitzt eine beachtliche Größe innerhalb der vorhandenen Bebauung und stellt sich als sehr strukturreich dar, was sich im Detail für eine Bearbeitung als schwieriger erweist, als dies bei anderen Untersuchungsgebieten der Fall ist.
Die übersichtlichen Flächen befinden sich im Zentrum des unbebauten Bereichs der Einrichtung. Dazu zählen die Rasenfläche vor dem Naturdenkmal am Hauptgebäude in südlicher Richtung und der Sportplatz mit angrenzendem Spielplatz.
Durchzogen, als Trennung, werden beide Flächen von Baumbesatz und Gebüschstrukturen mit Ende am Denkmal von Wilhelm Albrecht.
In südlicher und westlicher Richtung befindet sich neben der Weide für die Lamas, eine Baum- und Gehölzzone, die zwar unterbrochen mit kleinen Durchlässen hin zum Grundstückszaun, dennoch als schwer begehbar gelten kann. Hier befinden sich einige Laub- und Astschnitthaufen, im speziellen ein großer Schnittgut-Komposthaufen.
Alle bieten der Äskulapnatter gute Unterschlupf- und Versteckmöglichkeiten, zum Teil auch Eiablageplatz.
Im Jahr 2011 wurde allerdings festgestellt, dass auf dem Gelände derzeit keine Eiablage möglich ist, weil die in Frage kommenden Haufen durchkompostiert sind und nicht mehr die erforderliche Wärme erzeugen ( siehe auch „Vorschläge – Maßnahmen“).
Die gesamte waldähnlich strukturierte Randzone ist bis fast an die Grundstücksgrenze u.a. komplett mit Efeu bodendeckend bewachsen. Bei Begehungen ist es deshalb mehrmals eingetreten, dass ein Tier nur zufällig, weil wie ein Ast getarnt, gesichtet und meist dann nicht gefangen werden konnte. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Brombeere stark ausbreitet und in die beschriebenen Bereiche hereinragt.
Das Gelände bekommt aufgrund seiner Lage schon ab 8.30 Uhr Sommerzeit in den meisten Bereichen Sonne und liegt auch den ganzen Tag über zum größten Teil in guter Einstrahlung.
Die ausgelegten Folien, sowie die provisorisch erstellte Unterschlupf- /Aufwärmmöglichkeit wurden von der Äskulapnatter nachweislich nicht in Anspruch genommen; nur ein einziger, in Auflösung begriffener Häutungsrest konnte nachgewiesen werden.
Einerseits wurden die meisten Folien durch Schüler und Besucher relativ häufig „kontrolliert“, was der Sache an sich nicht zuwiderläuft, aber dennoch zur Vergrämung führt.
Zum andern wurden Äskulapnattern aber erstaunlicherweise an recht stark frequentierten Stellen (Betonbauwerk) gesichtet, was auf noch viele „bessere“ Versteckmöglichkeiten hindeutet und auch wie in diesem Fall immer wieder zeigt, dass diese Schlange nicht gerade scheu ist bzw. den Menschen nicht meidet.
Um insgesamt nachhaltige und gesicherte Unterschlupf-Winterquartiere und Eiablagemöglichkeiten zu erhalten oder/und zu schaffen, wurden schon im Vorgriff der Schulleitung verschiedene Möglichkeiten unterbreitet, die uneingeschränkt unterstützt werden (s. „Vorschläge u. Maßnahmen“).
Beobachtungen
Im Jahr 2010 und 2011 wurden folgende Beobachtungen dokumentiert
- ca. 10-15 Sichtbeobachtungen durch Schulleiter, Lehrer, Schüler, Nachbarn
- 1 Sichtbeobachtung geschlüpfte Jungtiere/Kompost, 2010
- 2 Männchen beim sog. Kommentkampf (Video vorhanden), 2010
- 1 verletztes Tier – Schnittverletzungen durch Mäher/ Wirbelsäulenverletzung
Fotonachweis, 2010 - 1 erwachsenes Tier Nachbargrundstück (Fotonachweis), 2011
- 1 erwachsenes Tier am Kompost , ca. 100 cm, Vermessung nicht möglich, Fotonachweis, 1.5.2011
- 1 überfahrenes Tier ca. 150 cm, durch Nachbarn geborgen (Händel-/Ecke Thünenstraße), Fotonachweis 2011
- 1 Fotonachweis Freseniusstraße im Garten, 2011
- 1 Vermessung, L: 135 cm, Subc. 81-82, 23.6.11 südwestl. Grenze, 17°C
- 1 Vermessung, L: 85 cm, Subc. 82, 6.7.11, Kompostplatz, 21°C
- 1 erw. Tier, L: ca. 140 cm, bes. Merkmal: Stummelschwanz, 19.8.2011
im Kopfbereich stark verletzt, nur noch rechtes Auge intakt, linke Kopfseite stark verschorft mit scheinbar angegriffenem Oberkiefer.
Über die ursprüngliche Verletzung kann nur spekuliert werden, zumindest lag oder liegt zum Fundzeitpunkt eine starke Entzündung des angegebenen Kopfbereiches vor, die am Abklingen zu sein scheint.
22.8. tot aufgefunden, Fotonachweis - 2 tote Jungtiere 29. u. 30. September 2011 ohne sichtbare Verletzungen
- 1 Jungtier auf der Jonas-Schmidt-Straße (wurde von Schulmitarbeitern in den großen Komposthaufen gesetzt).
Die festgestellten Daten zeigen u.E. auf, dass es im Bereich Neroberg – Bahnholz – Tennelbach, insbesondere im direkten Umfeld des ehemaligen Hofgut Geisberg, um eine eigenständige Population der Äskulapnatter handelt.
In wieweit hier eine Verbindung zu den nächsten dokumentierten Vorkommen Kohlheck – Weilburger Tal bestehen, ist uns zur Zeit nicht bekannt, da keinerlei Sichtungen oder Meldungen aus den dazwischenliegenden Bereichen vorliegen.
Möglichkeiten für Vorkommen
Für das Vorkommen „Geisberg“ sind nach unserem Ermessen zwei Möglichkeiten relevant:
- Die Population begründet sich auf das Aussetzen – Auswildern von mindestens einem Pärchen, was allerdings schon vor Jahren bzw. Jahrzehnten geschehen sein müsste.
Gegen das Auswildern spricht die Tatsache, dass Zuchttiere (Cites-Papiere) i.d.R. nicht ausgesetzt, sondern entsprechend für Terrarienhaltung veräußert werden.
Gegen das Umsetzen aus bestehenden Äskulapnatterbiotopen spricht die dafür notwendige Fachkenntnis und der entsprechend hohe Aufwand.
Das Aussetzen von mindestens einem männlichen und einem weiblichen Tier gerade direkt in den besiedelten Bereich wäre fast als absurd anzusehen, zumal nur allein in dem Zeitraum unserer Dokumentation z.B.
1 Exemplar unter dem Mäher endete und
1 Exemplar auf der zwar nicht häufig, dennoch befahrenen Händelstraße zu Tode kam und
1 verletztes Tier (Entzündung Kopfbereich) am 22.8. verendete.
Auch liegt die Schlupfrate bei gerade ca. 30% und die Möglichkeit, dass Jungtiere und auch erwachsene Schlangen, wie auch in anderen Gebieten sehr häufig durch „nicht natürliche“ Ursachen zu Tode kommen, ist gerade in Bereichen mit ständigen und dauerhaften negativen Einflüssen enorm hoch. - Es handelt sich um eine kleine Restpopulation, die sich durch relativ günstige Umstände im beschriebenen Areal erhalten hat.
Geschichtliches zum Geisberg
Es ist widerlegt, dass die Römer die Äskulapnatter in die Bereiche des heutigen Ortes Schlangenbad eingebracht haben. Vielmehr hat sich der Theorie nach während der letzten Eiszeit eine Population am „Warmen Bach“ (27-30°) erhalten, die dann wieder expandierte.
Nun besitzt Schlangenbad den Warmen Bach, aber in Luftlinie von nur 10 km Entfernung existieren nicht nur warme, sondern sogar heiße Quellen, die, von der ohnehin klimatisch begünstigten Lage des Geisbergs abgesehen, für entsprechende kleinklimatische Bedingungen sorgten.
Weiterhin zeigt die Existenz des ehemaligen römischen Gutshofes im oberen Dambachtal (2. Hälfte des 1. Jahrhunderts, entdeckt 1750 / untersucht 1848), ca. 250 m Luftlinie von der EVIM-Jugendhilfe entfernt, dass in diesem Gebiet zumindest seit langer Zeit landwirtschaftliche Nutzung stattfand, die durch die Bewirtschaftungsweise und durch Nutztierhaltung gute Lebens- und Reproduktionsmöglichkeiten für die Äskulapnatter geboten hat.
Im direkten Umfeld des ehem. Hofguts Geisberg wurden Umfassungsmauern des „vivariums“, des Tierparks aufgefunden, die auf einen ausgedehnten römischen Villenbesitz schließen lässt ( Karl Döringer 1955).
Bis zur neueren Besiedelung vorerst mit einzelnen Gebäuden fand hier in relativer Stadtnähe mit Sicherheit eine extensive, möglicherweise Streuobst- und Weidenutzung statt. Der nicht weit entfernte Wiesbadener Weinberg am Neroberg existiert übrigens seit 1525.
Im Jahr 1783 beginnt die Urbarmachung des „Geissenplatzes „draußen vor der Stadt unter Leitung von Kruse:
Aus einer bis dahin herrenlosen, steinigen, mit Gestrüpp bewachsenen Öde verwandelt sich der Geisberg in fruchtbare Äcker, fette Wiesen und streckenweise Weingärten.
Damit beginnt übrigens auch die Geschichte der heutigen EVIM-Jugendhilfe auf dem Geisberg.
Wenige Jahre später wirtschaftet auf dem Geisberg nicht nur ein großes Hofgut, es floriert auch eine Vergnügungsstätte bzw. Ausflugslokal (mit Schankerlaubnis 1794), zu dem die Städter hinaufziehen.
Goethe besuchte den Geisberg 1815, die Goethewarte wurde erst 1932 erbaut.
Bis zur Aufhebung der Spielbank im Kursaal 1874 lohnte es sich für Esel- und Pferdevermieter, die Kurgäste auf Pferden oder Eseln vom Kochbrunnen aus auf den Geisberg hochzuführen.
1835 wurde auf dem Geisberg das erste Landwirtschaftliche Institut in Deutschland von Christian Wilhelm Albrecht gegründet. Dass die damalige Wirtschaftsweise von der heute praktizierten Landnutzung stark abweicht, liegt auf der Hand.
1924 wird der Hof Geisberg durch den Evangelischen Verein für Innere Mission gekauft.
Landwirtschaft und Gärtnerei wurde 1967 aufgegeben; die EVIM-Jugendhilfe führt bis heute Schulbetrieb auf dem Geisberg durch.
Im näheren Umfeld z.B. Freseniusstraße, Händelstraße, Rosselstraße und untere Idsteiner Straße fand eine Bebauung ab etwa Ende des 19. Jahrhunderts statt. Diese Grundstücke zeichneten sich bis in die 1970er Jahre durch einen hohen unbebauten Anteil an Freiflächen aus, meist parkähnlich gestaltet.
Verdichtungen in der Bebauung fanden erst etwas später statt. Das verfügbare Luftbild (*) aus dem Jahr 1943 zeigt sehr deutlich die sogar zu dieser Zeit noch existenten großen Freiflächen auf.
Ab 1952 wurde das Bundeskriminalamt nördlich im Anschluss an das ehem. Hofgut Geisberg unter Nutzung der ehem. Jugendherberge in mehreren Bauabschnitten errichtet. Auch die Bebauung östlich der Idsteiner Straße entstand in diesem Zeitraum, wie dies an der Architektur der Gebäude zu erkennen ist.
Für die Äskulapnatter erforderliche Strukturen waren in der Vergangenheit absolut ausreichend vorhanden und sind noch heute in etwas anderen Formen und Gestaltungen relevant.
Selbst bei den derzeit an die EVIM-Jugendhilfe angrenzenden Grundstücken werden bei Bautätigkeiten (z.B. Thünenstraße) relativ häufig z.B. Steingärten mit Findlingen und Gabionenwände anstelle von strukturlosen Betonmauern erstellt. Vereinzelt findet sich auch ein Komposter oder in Randbereichen Ast- und Schnittguthaufen.
Das Gelände des BKA wird aus verständlichen Gründen von den angeführten Strukturen weitgehend freigehalten und ist, wie die meisten anderen Grundstücke nicht begehbar.
(*) Das Luftbild kann aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht dargestellt werden.
Vorschläge und Maßnahmen
Die Bedeutung des Geländes der EVIM-Jugendhilfe für den Bestand der Äskulapnatterpopulation ist als sehr hoch zu bewerten. Nur wenige Grundstücke in der näheren Umgebung weisen entsprechende Strukturen in notwendigen Größenordnungen auf.
Wie schon beschrieben ist eine starke bauliche Ausnutzung mit überwiegendem Anteil an Zierrasen die Regel. Im Bereich Thünenstraße / Liebigstraße sind teils strukturreiche Randbepflanzungen mit Anteil von Granitblöcken, Gabionen und Steingärten zu finden. In Einzelfällen stehen Hauseigentümer den Bedürfnissen der Schlange sehr aufgeschlossen gegenüber und es werden für die Äskulapnatter bewusst Komposthaufen in Randbereichen angelegt.
Das Gelände der EVIM-Jugendhilfe wird aus unserer Sicht relativ extensiv gepflegt, was der Lebensweise der Äskulapnatter sehr entgegenkommt.
Der Vollständigkeit halber haben wir alle positiv zu bewertenden Maßnahmen aufgeführt, auch wenn diese von den zuständigen Mitarbeitern ohnehin schon praktiziert werden.
Kompostplatz
Der Kompostplatz sollte in 2 separate Bereiche eingeteilt werden, d.h. dass etwa 3-5 Jahre lang das kompostfähige Material auf einem Punkt eingebracht wird. Je nach Mächtigkeit des Kompost [1] wird dann nach diesem Zeitraum das neu anfallende Material auf Platz [2] verbracht (auch etwa 3-5 Jahre).
Kompost [1] kann dann genutzt werden, während Kompost [2] noch in Aufschichtung ist. Durch diesen Wechsel alle 5-6 Jahre würde für die Äskulapnatter kein Brutausfall eintreten.
Der Komposthaufen sollte von Mai bis Ende Oktober nicht umgesetzt oder geöffnet werden.
Mäharbeiten
Die regelmäßig bewirtschafteten Wiesen sollten grundsätzlich immer von innen nach außen gemäht werden, um allen Tieren gewisse Fluchtmöglichkeiten zu bieten. Die Bereiche direkt zum Übergang Gebüschzone (ca. 1,5 m) immer erst zum Ende der Mäharbeiten.
Baumschnitt
Viele kleine „Sonnenecken“ durch Auslichtung entstehen in vielen Bereichen des Geländes fast von selbst, zumal bei den guten gärtnerischen und landschaftspflegerischen Arbeiten sehr differenziert und selektiv vorgegangen wird.
Wünschenswert ist bei anstehenden Baumfällungen eine Erhöhung des Totholzanteils in den Randbereichen, auch wenn eine spätere Nutzung des Stapelholzes stattfinden sollte.
Gleiches gilt für evtl. entstehende Häckselhaufen aus leichtem Gehölzschnitt.
Gabionen-Kombination
Der folgende Vorschlag wurde als Artenschutzmaßnahme bei der zuständigen Fachbehörde beantragt, soll aus entsprechenden Mittel finanziert werden und ist dem Bericht beigefügt:
Eiablageplatz – Versteckmöglichkeit – integriertes Winterquartier
Das Element soll dauerhaft, nachhaltig, weitgehend wartungsfrei und störungsfrei installiert und widerstandsfähiger sein, als die schon in anderen Bereichen umgesetzten, in der Funktion ähnlichen Ausführungen aus Holzmaterialien.
In Hinblick auf Sicherheit bzw. Verkehrssicherheit darf keine Verletzungsgefahr bestehen, die Ausführung muss absolut standfest und nicht (ohne größeren Aufwand) zu entfernen sein.
Ein Element könnte aus (vgl. Skizzen) 2 Gabionen bestehen, die ein „L“ bilden. Die Ausrichtung bezügl. der Sonneneinstrahlung wird je nach Geländegegebenheiten vor Ort noch konkret festgesetzt.
In den 90°-Winkel werden Waschbetonplatten eingebracht, die auf Pflastersteinen lagern, um so einen Hohlraum zu erzeugen. Die Möglichkeiten, dass nur Kleinsttiere bzw. Schlangen in den Hohlraum gelangen, wird konkret forciert. Dieser Hohlraum stellt die Versteckmöglichkeit und auch das potentielle Winterquartier dar.
Auf die Platten wird Häckselgut von ca. 60-80 cm aufgebracht, was dann auch durch anfallenden Rasen- und Astschnitt aufgestockt werden kann.
Auf die Gabionen wird vor dem Verschließen eine Lage Dachpappe aufgebracht, zumal beispielsweise im Kloster Eberbach oder am Sommerberg diese Aufwärmmöglichkeit nach unseren Beobachtungen bei Reptilien sehr beliebt ist.
Vorgesehen ist die Umsetzung dieser Maßnahme in den Wintermonaten 2011/2012.
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Zusammenfassung und Erfordernisse
Für die direkt am Stadtrand bestehende Äskulapnatterpopulation auf dem Geisberg muss die gesicherte Bestandserhaltung das konkretes Ziel darstellen. Eine Vernetzung zu der nächsten vorhandenen Population Richtung Kohlheck ist zwar möglich, doch sind aufgrund der drei stark befahrenen Ausfallstraßen Richtung Taunus bezüglich der Effektivität sehr enge Grenzen gesetzt.
Bei evtl. anstehenden Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen sollte das entsprechende Angebot im Gebiet gezielt auf die Äskulapnatter ausgerichtet werden.
Möglichkeiten der Umsetzung von Maßnahmen bestehen außerdem im Bereich Tennelbachtal, Eigenheim (oberhalb der Siedlung) und im Oberen Dambachtal, zumal auch hier die Existenz der Äskulapnatter zu vermuten ist.
Grundsätzlich wichtig ist die Erhaltung der bestehenden Strukturen, wobei im Bereich der EVIM-Jugendhilfe/ehem. Hofgut Geisberg höhere Nutzungs- und Pflegeintensivierungen nicht zu erwarten sind.
Ende September 2011 wurden einige Jungtiere von Schülern und den Herren Kopplow und Weber aufgefunden, die belegen, dass ein Bruterfolg stattgefunden hat. Ob sich dies im Kompost des Nachbarn, in den Kompostern des kleinen Gartengeländes in der Jonas-Schmidt-Straße oder anderen vorhandenen Schnittguthaufen vollzogen hat, entzieht sich unserer Kenntnis.
Da neben der seltenen Sichtung von geschlüpften Jungtieren bei den Gesamtnachweisen weitgehend alle Altersstrukturen vertreten sind, scheint das notwendige Nahrungsangebot ausreichend vorhanden zu sein und der Erhaltungszustand des Vorkommens in noch keinem kritischen Bereich zu liegen.
Zur Stabilisierung der Gesamtpopulation tragen sicher, soweit nicht sowieso schon gehandhabt, die dauerhafte Umsetzung der Vorschläge und Maßnahmen bei.
Das scheinbar fast unbemerkte Vorkommen der Äskulapnatter ist aufgrund der beschriebenen Entwicklung in diesem Bereich übrigens nicht unbedingt verwunderlich. Es sei daran erinnert, dass das Vorkommen am Neckar bei Hirschhorn erst im Jahre 1948 dokumentiert wurde.
Insoweit sind die beschriebenen Vermutungen oder Schlussfolgerungen beim derzeitigen Kenntnisstand nicht ohne weiteres zu widerlegen; allerdings sind die Ausführungen im wissenschaftlichen Sinne auch nicht beweisbar.
Datum:
i.A. Richard Abt
Vielen Dank an
- Andrea Wittgen, Benjamin Abt, Thomas Erler für die praktische Mitarbeit
- Johannes Geisthardt für die Mitarbeit an der Gesamtdokumentation
- Hans Carlowitz für div. Bildbearbeitungen
- Thorsten Reiss für die Bereitstellung verschiedener historischer Daten
- Herrn Kopplow, Herrn Weber und den Außendienstmitarbeitern der EVIM-Jugendhilfe für die Umsetzung von Maßnahmen vor Ort und Unterstützung bei der Bestandserfassung.
Insgesamt wurde das Gelände und das Umfeld von April bis August 2011 mit 32 Begehungen á 2,0 Stunden zu unterschiedlichsten Tageszeiten und Wochentagen untersucht.
Zusätzlich fanden mehrere Ortstermine mit Unternehmer u. Umweltamt statt.
Quellen
- Karl Döringer – Der kleine Heimatforscher, 1955
Dr. Obermar – Druck und Verlags GmbH - Wilfrid Pfeiffer – 150 Jahre Jugendhilfe des Evangelischen Vereins für innere Mission in Nassau
- Axel Gomille – Die Äskulapnatter
Ergänzung zur Dokumentation
Die Errichtung der vorgeschlagenen Biotopelemente als Versteck-, Eiablage- und Winterquartiermöglichkeit im November 2011 auf dem Gelände der EVIM-Jugendhilfe weisen neben den Artenschutzaspekten auch in erheblichem Maße einen naturpädagogischen Effekt auf.
So wurden und werden Schüler für die Belange der Äskulapnatter begeistert und gestalten in absehbarer Zeit einen kleinen Info-Pfad innerhalb des Geländes. Da die Gabionen-Elemente in nicht permanent zugänglichen Bereichen liegen, werden diese dadurch nicht tangiert (Störungen usw.).
Auch ist geplant, ein weiteres Element mit gleichem Effekt aus anfallendem Schnittholz auf dem Gelände zu gestalten.
So ergibt sich eine sinnvolle Verknüpfung und die erforderlichen Mittel kommen gleichermaßen dem Artenschutz und der Naturpädagogik zugute.
Aufgrund der guten und breiten Resonanz wurde der zuständige Dezernent Herr Gossmann gebeten, zur Saison (Febr./März 2012) die Maßnahme ganz offiziell einzuweihen.
Wir sehen dies auch als Beitrag zur Akzeptanz „ungeliebter Tierarten“, der auch Nachahmungseffekte nach sich ziehen kann.
Im Weiteren eine kleine Infotafel, die ggf. an den Gabionen befestigt wird.
Infotafel
Eine Komfortwohnung für unsere hier vorkommende, größte einheimische Schlange ist hier auf dem Gelände der EVIM-Jugendhilfe, dem ehemaligen Hofgut Geisberg entstanden.
Direkt auf die Äskulapnatter zugeschnitten, besteht das Biotopelement aus
- Versteck-, Aufwärm- und Ruhemöglichkeit (Gabionenelement)
- potentiellem Winterquartier (Hohlräume mit Plattenabdeckung)
- Eiablage-Möglichkeit (Schüttung aus Rinden- und Mulchmaterial)
Das Element wurde durch Mitarbeiter des Vereins Naturschutzhaus konzipiert.
Die EVIM-Jugendhilfe in Wiesbaden unterstützt das Projekt und stellt die erforderlichen Flächen zur Verfügung und
das Umweltamt – Untere Naturschutzbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden finanziert diese Optimierung aus Mittels des Artenschutzes.
Die Biotopelemente zur Förderung und Entwicklung der Äskulapnatter stellen eine dauerhafte Maßnahme dar; dementsprechend wurde eine stabile und weitgehend wartungsfreie Ausführung gewählt.
NSchH/ra 2011
Antrag Artenschutzförderprogramm
Schreiben vom 19.07.2011:
An die
Landeshauptstadt Wiesbaden
– Umweltamt –
Abt. Biotop-und Artenschutz
Artenschutzförderprogramm – Äskulapnatter
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Ihnen schon vorab als Vermutung mitgeteilt, hat unsere Dokumentation in 2010 und 2011 ergeben, dass im Bereich Dambachtal mit Kernzone ehem. Hofgut Geisberg eine möglicherweise isolierte Population der Äskulapnatter existiert.
Ein ausführlicher Bericht mit Gebietsbeschreibung, Dokumentation, Maßnahmenvorschläge und Fotonachweisen geht Ihnen in absehbarer Zeit zu.
Um den Erhaltungszustand zu sichern haben wir im Folgenden einen Vorschlag zu einer konkreten Maßnahme, die unsererseits als dringlich angesehen wird.
- Auf dem Gelände des ehem. Hofguts Geisberg / EVIM-Jugendhilfe befindet sich ein großer Kompostplatz, der aufgrund seiner Mächtigkeit Ende Oktober-November 2011 genutzt und damit abgebaut werden soll. Die Reproduktion der Äskulapnatter fand bzw. findet nach unserer Ansicht hier statt, zumal für diesen Zweck optimale Bedingungen herrschen. In diesem Jahr wies der Haufen nicht mehr die erforderliche Wärme auf und weiterhin wurde das kompostfähige Schnittgut aus technischen Gründen per Kübel abtransportiert. Erst ab nächstem Jahr wird wieder Schnittgut zur Kompostierung verbracht, dessen Wirkung i.d.R. aber erst im Folgejahr zum tragen kommt.
Eine gesicherte und dauerhafte Lösung für die Eiablage der Äskulapnatter ist aber aufgrund der generell sehr niedrigen Reproduktions- und Überlebensrate zwingend notwendig.
Um den Erhalt der Äskulapnatter nicht dem Zufall zu überlassen, wurden mit dem Schulleiter, Herrn Kopplow, schon vorab Gespräche geführt. Die vorgeschlagene Maßnahme wird befürwortet und unterstützt, die erforderlichen Flächen im ruhigen und wenig genutzten Randbereich zur Verfügung gestellt.
Unser Vorschlag ist die Schaffung einer Kombination
Eiablageplatz – Versteckmöglichkeit – integriertes Winterquartier.
Das Element soll dauerhaft, nachhaltig, weitgehend wartungsfrei und störungsfrei installiert und widerstandsfähiger sein, als die schon in anderen Bereichen umgesetzten, in der Funktion ähnlichen Ausführungen aus Holzmaterialien.
In Hinblick auf Sicherheit bzw. Verkehrssicherheit
darf keine Verletzungsgefahr bestehen,
die Ausführung muß absolut standfest und
nicht (ohne größeren Aufwand) zu entfernen sein.
Ein Element könnte aus (vgl. Skizzen) 2 Gabionen bestehen, die ein L bilden.
Die Ausrichtung bezügl. der Sonneneinstrahlung wird je nach Geländegegebenheiten vor Ort noch konkret festgesetzt.
In den 90° Winkel werden Waschbetonplatten eingebracht, die auf Pflastersteinen lagern, um so einen Hohlraum zu erzeugen. Die Möglichkeiten, dass nur Kleinsttiere bzw. Schlangen in den Hohlraum gelangen werden konkret forciert. Dieser Hohlraum stellt die Versteckmöglichkeit und auch das potentielle Winterquartier dar.
Auf die Platten wird Häckselgut von ca. 60 – 80 cm aufgebracht, was dann auch durch anfallenden Rasen- und Astschnitt aufgestockt werden kann.
Auf die Gabionen wird vor dem Verschließen eine Lage Dachpappe aufgebracht, zumal beispielsweise im Kloster Eberbach oder am Sommerberg diese Aufwärmmöglichkeit nach unseren Beobachtungen bei Reptilien sehr beliebt ist.
Als absolut notwendig sehen wir die Errichtung von mindestens 2 dieser Elemente an. Ein Angebot einer Fachfirma liegt schon bei, ein Zweites ist zur Zeit in Arbeit.
Leider ist diese Art der massiveren Bauweise nicht ehrenamtlich zu bewerkstelligen, sodass wir um eine Kostenübernahme aus dem Etat Artenschutzmaßnahmen bitten.
Wir würden uns freuen, wenn Sie den Antrag noch in diesem Jahr und auch positiv beschließen würden, da eine Ausführung in den kommenden Wintermonaten eine optimale Lösung darstellen würde.
Mit freundlichem Gruß
i.A. Richard Abt