Wie schon bei der oberen Art erwähnt, befinden sich viele Orchideenkenner bei den Epipactis-Arten manchmal im Zweifel über die genaue Art. Die braunrote Stendelwurz ist durch ihre auffällige Farbe relativ leicht von den anderen abzugrenzen. Schwieriger wird es bei der breitblättrigen Stendelwurz, die einen Zwilling hat – die Müller’sche Stendelwurz (Epipactis muelleri) – die nur in der vollen Blüte von der breitblättrigen Stendelwurz sicher zu unterscheiden ist. Die vegetativen Merkmale der breitblättrigen und der Muellerschen Stendewlwurz sind – je nach Standort – sehr ähnlich. Zu allem Überfluss gibt es in Deutschland noch weitere ähnliche Epipactis-Arten, deren Abgrenzung zu anderen, ähnlichen Epipacten erst in letzter Zeit vorgenommen wurden. So kann es durchaus Fehlbestimmungen gegeben haben und noch geben. Daher bezeichnen die meisten alle „Epipactis helleborine“-Typen erst einmal als breitblättrige Stendelwurz und differenzieren erst, wenn alle Zweifel über Abarten oder Standortunterschiede beseitigt sind.
In der Tat ist die breitblättrige Stendelwurz das „Unkraut“ unter den Orchideen. Sie kommt in fast ganz Deutschland (mit Ausnahme der Torf- und Moorgebiete) vor und besiedelt bei guten Bedingungen gerne Sekundärstandorte, also auch Straßen- oder Wegränder. In manchen Gegenden wimmelt es regelrecht von ihr und auch im Rheingau findet man sie recht häufig. Ihr anspruchsloses Wesen erleichtert ihr das Überleben – so erträgt sie Sonne, Halbschatten und Schatten, kommt mit Lehm- und Sandboden zurecht, auch der Kalkgehalt ist nicht ganz so ausschlaggebend und Stickstoff scheint ihr sogar zu nutzen. So kommt sie gelegentlich sogar in Brennesselbeständen vor. Je nach Standort ist sie zwischen 30 und 100 cm groß und entsprechend kräftig.
Die Blüten sind rund um den Stängel verteilt und bilden eine reichblütige Ähre. Die Licht- und Bodenverhältnisse bestimmen, ob die Blüte außen in der Lippe mehr cremeweiß, rosa oder grünlich ist. Das Hypochil (Schüsselchen) innen ist oliv bis braun und glänzt. Die Blätter sind breitoval und am Rande leicht gewellt. Die Stärke der Wellen hängt von der Feuchtigkeit des Standorts und des Vegetationsjahres ab. Die Epipactis helleborine treibt erst spät im Jahr – Ende Mai – aus und bildet im Schatten oft sterile Exemplare aus, die nicht blühen. In diesen Zuständen ist sie leicht mit dem bleichen Waldvögelein zu verwechseln, mit dem sie oft den Standort teilt. Die Bestäubung der Pflanze geschieht durch Wespen oder Schwebfliegen, die im Spätsommer reichlich vertreten sind und die durch das glänzende Schüsselchen und einen leichten Fäulnisgeruch angelockt werden. Oft „baden“ auch Ameisen im Schüsselchen. Fallen die Insekten als Bestäuber aus, so kann sich die breitblättrige Stendelwurz auch durch Autogamie (Selbstbefruchtung) vermehren. Die Autogamie ist bei allen Stendelwurzarten häufiger anzutreffen oder sogar Standard. Durch die Besiedlung sehr schattiger Bereiche fehlt oft der Insektenbesuch und die Vermehrungsstrategie muss entsprechend angepasst werden. Wie schon gesagt: bei der Gattung Epipactis sind interessante Dinge im Gange.
Blüte: Ende Juli, weißlich/grünlich/rosa mit olivbraunem Schüsselchen, ähriger Blütenstand,
Pflanze 30 bis 100 cm hoch;
Blatt: rinnig, stängelbegleitend, breitoval, gewellt;
Vorkommen im Rheingau: relativ häufig in Buchenwäldern auf Löß oder Lehm, meist feiner Boden.