Die Bocksriemenzunge hat nicht nur einen ungewöhnlichen Namen, sondern sie sieht auch sehr nach ihrem Namen aus. An den weißlich/hellgrünen Einzelblüten, die eine mehr oder weniger starke, rotviolett Zeichnung hat, hängt die uhrfederartig aufgerollte Lippe, die bis 7 mm lang werden kann. Der ganze Blütenstand ist walzenförmig, sieht zerrupft aus und kann bis 70 cm hoch werden. Eine solche Orchidee ist schwer zu übersehen und für gute Nasen auch nicht zu „über-riechen“. Die Blüte riecht nämlich nach nassem Ziegenbock – daher auch der Name „Bocks“-Riemenzunge. Der Geruch ist nachts besonders stark ausgeprägt und gibt einen Hinweis auf die Bestäuber, nämlich Nachtfalter, die von dem Geruch angelockt werden.
Diese große Blüte hat dazu passende, große Blätter, die schon im Herbst erscheinen und in schneearmen Wintern auf Magerwiesen sehr gut zu erkennen sind. Die Blätter sind graugrün, sehr fleischig und bilden eine ca. 10 cm große Rosette. Zur Blütezeit welken sie meist schon. Art und Anordnung der Blätter deuten darauf hin, dass die Pflanze im Mittelmeerraum heimisch ist und nach der letzten Eiszeit den Sprung über die Alpen geschafft hat. So geht man davon aus, dass sie über das Rhônetal und den Schweizer Jura den Weg in den Südwesten Deutschlands geschafft hat, wo sie in klimatisch begünstigten Gebieten vereinzelt vorkommt. Das bedeutet im einzelnen: warme Südhänge auf wärmespeicherndem, kalkhaltigem Boden, wo im Frühjahr die Kaltluft schnell talabwärts fließt und so keine Spätfröste auftreten. Die Verbreitungskarten verzeichnen nur sporadische Vorkommen im mittleren und oberen Rheintal und an Main, Nahe und Glan. Da die Blätter relativ frostempfindlich sind, steht die Pflanze gerne in höherem Gras, weil dort die Abstrahlung in kalten Nächten nicht so hoch ist, es also nicht ganz so kalt wird. Untersuchungen im Nahegebiet haben ergeben, dass die Bocksriemenzunge in atlantischen Wintern (feucht und kühl) regelmäßiger und stärker zur Blüte kommt, als in kontinentalen, trocken-kalten Wintern. Auch eine länger andauernde Schneedecke begünstigt die Blüte. Im Frühjahr 1997 wurden die Blütenknospen nach einer warmen Februar/März-Witterung durch Spätfröste im April dermaßen in der Entwicklung gehemmt, dass an einem Standort mit fast tausend Exemplaren nur ca. 20% zur Blüte kamen. Hier sieht man deutlich, wie sehr der Witterungsverlauf die Orchideenentwicklung beeinflussen kann. Manchmal kommen jahrelang nur wenig Exemplare zur Blüte und nach einem „Idealen“ Winter und Frühjahr blühen auf einmal mehrere hundert Pflanzen.
Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass sich die Bocksriemenzunge gerne in ehemaligen Weinbergen ausbreitet. Das ist natürlich einmal in der klimatischen Lage eines Wingerts begründet, kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass vielleicht die Römer, die bei ihren „Auslandseinsätzen“ immer Weinreben als Pflanzgut dabei hatten, diese Pflanze unbeabsichtigt als Samen oder Wurzelknolle nach Mitteleuropa eingeführt haben können. Dies wiederum ließe darauf schließen, dass ein Orchideensame seine Keimfähigkeit über sehr lange Zeit behält und bei günstigen Bedingungen wieder zur Keimung kommen kann. An der Universität Mainz sind derzeit Untersuchungen darüber im Gange.
Blüte: Mai/Juni, weiß bis grünlich mit rötlich-violetter Zeichnung und einer sehr langen Lippe, die uhrfederartig gedreht ist,
40 bis 60 cm hoch
Blatt: hell- bis graugrüne Rosette, fleischig, ungefleckt, groß.
Blätter erscheinen im Herbst, welken zur Blütezeit;
Vorkommen im Rheingau: Im Naturschutzgebiet Geisenheimer Heide.