Wenn viele Kleintiere auf der Straße überfahren werden, könnte es helfen, die bestehenden Unterführungen für die Tiere attraktiver zu gestalten. Die Umgehungsstraße B260 von Schlangenbad besitzt mehrere solche Unterführungen, die bislang keine Deckung für querende Tiere bieten.
Artenschutzmaßnahme Äskulapnatter 2009
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Die Häufigkeit der Sichtung überfahrener Tiere auf Straßen und Wirtschaftswegen zeigt die Notwendigkeit, wo immer es möglich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Art der Reduzierung entgegenzuwirken bzw. die Auswirkungen abzumildern.
So werden nach unserer Beobachtung viel zu selten z.B. der Bau von Wildbrücken in Betracht gezogen oder umgesetzt. Dementsprechend höher ist auch der Anteil des verunfallten jagdbaren Wild – abgesehen vom zu hohen Wildbestand an sich.
Auch der Anteil der überfahrenen nicht jagdbaren Tierarten – Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien – ist durch unsere Straßendichte sehr hoch.
So makaber es sich anhören mag, die Kartierung der Reptilien im Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden 1996/97 fand zu ca. 25 % auf dem Asphalt statt. Zumindest, das sei ein kleiner Trost, konnten durch diese Erkenntnisse des Vorhandenseins bestimmter Arten so manche Artenschutzmaßnahme durchgeführt werden (u.a. Eiablageplätze Stiwa – Herr Wenzler; Anlage diverser Amphibienlaichgewässer als Kompensationsmaßnahme – Naturschutzhaus e.V. u.v.m.).
Im konkreten Fall der Umgehung Schlangenbad bleibt sicherlich festzuhalten, dass beim Bau der Straße die Artenschutzbelange noch nicht den heutigen Stellenwert und den heutigen Erkenntnisstand aufweisen konnten.
Auch die wenigen gut gemeinten Schilder mit dem Hinweis „Ungiftige Schlangen kreuzen“ erwiesen sich als eine nicht effiziente Maßnahme, zumal dem Autofahrer bei Tempo 80 km/h eine Schlange auf der Fahrbahn erst auffällt, wenn sie im ungünstigsten Fall gerade überrollt wird.
Bei der Tiergruppe der Amphibien konnten im Kreis Leiteinrichtungen bei besonders gefährdeten Streckenabschnitten eingerichtet werden, die in ihrer Funktion den Arterhalt im Allgemeinen gerecht werden und Verluste reduzieren. Für andere Tierarten sind Leitsysteme dieser Art aber leicht zu überwinden und stellen kein nennenswertes Hindernis dar.
Gerade deshalb ist es im Hinblick auf die Erhaltung der Gesamtpopulation der Äskulapnatter sehr wichtig und bei den derzeitigen Gegebenheiten nicht einfach, den Austausch der Populationen Wiesbaden/Frauenstein – Schlangenbad – Rheingau sicherzustellen und zu fördern. Ohne den Austausch von wenigstens einzelnen Tieren tritt ansonsten eine genetische Verarmung ein.
Vorüberlegungen
Im Bereich der Umgehung Schlangenbad (B 260) existieren insgesamt 5 Straßenunterführungen von unterschiedlichen Abmessungen.
Die bewuchslosen und kahlen Durchgänge werden scheinbar nur in absoluten Ausnahmefällen von Wildtieren benutzt. Hinweise dazu finden sich immer wieder in Form von überfahrenen Tieren auf der B 260 auch im direkten Umfeld von Unterführungen. Hin und wieder werden auch auf der Umgehung querende Schlangen, Marder und Igel beobachtet.
Da sich auch in der Tierwelt gewisse Anpassungen vollziehen und selbst im besiedelten bebauten Randbereich der Ortschaften immer wieder Beobachtungen z.B. der Äskulapnatter gemeldet werden, bleibt die Vermutung, dass die wichtigsten Faktoren, neben Nahrungsvorkommen, auch in den kurzzeitigen Deckungs- und Versteckmöglichkeiten liegen.
Aus der Praxis können wir von unterschiedlichsten Begebenheiten berichten:
- Ein relativ ordentlich gehaltenes Grundstück (hier Frauenstein) am Ortsrand weist einen sehr hohen Anteil an ständig gemähter Rasenfläche auf. Lediglich die Grundstücksgrenze säumen einige Sträucher und durchgängig rund um das Haus direkt an der Hauswand befinden sich auf einer Tiefe von ca. 30 – 40 cm diverse Stauden, die nicht gemäht werden, in Wuchshöhen von 40 – 100 cm.
In beiden Kellerschächten, die mit einem leider sehr weitmaschigen Gitter abgedeckt waren, fanden sich ständig junge Äskulapnattern, Feuersalamander und Jungfrösche. Auf dem gesamten Rest des Grundstücks, das aus dem besagten Kurzrasen besteht, sind nach Angaben des Eigentümers allerdings nie Tiere gesichtet worden. - In einigen Bereichen des vorderen Rheingaus (u.a. Gaststätte Rausch) finden sich Beton- oder auch vermörtelte Natursteinmauern, die aufgrund ihrer Höhe nicht zu überwinden sind.
Direkt am Mauerfuß neben dem bestehenden Weg befinden sich durchgängig je nach Örtlichkeit Ruderalfluren, Brennnessel- und Brombeervegetation oder auch nur ungemähte Grasstreifen in einer Breite von 40 – 60 cm.
Eher zufällig wurden hier Blindschleichen, Äskulapnatter und Erdkröte in trauter Eintracht festgestellt. - Der Zufall spielte vor einigen Jahren während Kartierungsarbeiten mit. Im ehemaligen Wochenendgebiet Wambach wurde Sperrmüll (alte Bretter, Schrank, Kübel usw.) an einer Betonmauer auf dem Gehweg zur Abholung breitflächig gestapelt. Als der Sperrmüll ca. 2 Wochen später abgeholt wurde, machten sich 1 Äskulapnatter, 2 Blindschleichen und Mäuse aus dem Staub.
Die genannten Ausführungen besitzen sicher keinerlei wissenschaftliche Aussagen, dennoch zeigt die Praxis auf, dass die besagten Tierarten sich instinktiv nach dem Motto „Sehen – aber nicht gesehen werden“ verhalten.
Die besagten Beobachtungen lassen u.E. den Schluss zu, dass die bestehenden Unterführungen, wenn sie mit Unterschlupf- und Versteckmöglichkeit versehen werden, durchaus als Querungshilfe in Frage kommen.
Ausführung
Bei jeder der Unterführungen sind individuelle Gegebenheiten bezüglich der Zweckbestimmung zu berücksichtigen. Teilweise müssen sie befahrbar mit landwirtschaftlichem Gerät/ KFZ oder begehbar sein. Eine Unterführung wird gerade mit einem Radweg versehen.
Wünschenswert und am effektivsten wäre natürlich eine Breite der Maßnahme von 1-2 m, die leider als nachträgliche Maßnahme nicht im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten liegt. Das Mindestmaß für die im Weiteren beschriebenen Querungshilfen wurde aufgrund der Erfahrungswerte und der bestehenden Möglichkeiten bei 40-45 cm gesehen und festgelegt.
Die Unterführung bei der Firma Stiwa konnte aufgrund der vorhandenen, ungenutzten und eher überflüssigen schmalen Gehsteige links und rechts etwas breiter gearbeitet werden.
Als kostengünstigste und effektivste Herstellung der Querungshilfen erschien uns die Verwendung von natürlichen Materialien, die auch hinsichtlich der Verkehrssicherheit wenig Probleme aufwerfen.
Die Erstellung sollte wartungsfrei, möglichst dauerhaft und weitgehend sicher gegen Vandalismus und Beschädigung sein.
Zur Abgrenzung zum eigentlichen Nutzbereich wurden halbe Baumstämme gewählt, die mit der Flachseite auf dem Boden verankert werden.
Durch die natürliche Rundung der Stämme sind keine scharfen Kanten mit Verletzungsgefahr gegeben. Auch bei Kfz- oder Fahrradnutzung sind Beschädigungen z.B. der Reifen normalerweise ausgeschlossen. Sämtliche Endstücke wurden mittels Motorsäge abgerundet. Weiterhin wurde zwischen den einzelnen Stämmen ein schmaler Spalt von 10-20 cm zum hinein- oder herauskriechen vorgesehen.
Auf der Gesamtlänge wurden jeweils 2-3 Stämme als Unterschlupf- bzw. Versteckmöglichkeit zum Verharren bei auftretenden Störungen noch zusätzlich auf die bestehende Konstruktion aufgeschraubt (vgl. Fotos).
Die Stämme wurden allesamt jeweils durch 3 ca. 100 cm lange Baustahleisen mit dem Untergrund fest verbunden, um ein Entfernen des Holzes auszuschließen.
Der komplette Arbeitsgang ist anhand der beigefügten Fotos gut erkennbar.
Der Raum zwischen Holzstamm und Unterführungswand wurde renaturiert, hier dünn mit Laub und Erde bedeckt, dann mit Geäst und Blattwerk locker ausgefüllt. Jeweils an den Enden der Unterführungen wurde ein Anschluss zur vorhandenen Vegetation in Form eines angepassten Astschnitt – /Laubhaufen geschaffen, um das kurze Stück der fehlenden Deckung zu überbrücken.
Die Verwitterung des eingesetzten Materials wird sich in akzeptablen Grenzen halten, da nur die Ein- und Ausgangsbereiche der Unterführungen dem Regen ausgesetzt und mit Schnittgut leicht zu ersetzen sind.
Fazit
Bei der Erstellung dieses Berichts stand die Querungshilfe für die Unterführung 5 (unterhalb der Wambacher Mühle) noch aus, da hier ein Radweg beplant und durch die Unterführung geführt wird. Diese ist als einzige aufgrund der Wegebreite nicht mit Querungshilfen an der Unterführungswand zu fertigen, da die vorgeschriebene Breite des Radweges exakt ausfüllt. Auch geht hier von der Artenschutzmaßnahme bei einem gut frequentierten Radweg leicht eine Unfallgefahr aus.
Es besteht jedoch ein Mäuerchen mit Geländer, das ein Hineinfallen von Personen in die bestehende Wasserführung verhindern soll. Die Querungshilfe wird in einer geeigneten Form nach Installation des geplanten neuen Geländers auf der Mauerkrone den Gegebenheiten und Erfordernissen angepasst.
Zusammenfassend ist zu bemerken, dass Art und Umfang der Maßnahme recht unkonventionell wirkt, da sie kaum „rein technische“ Ausführung bzw. Konstruktion aufweist.
Die Machart ist letztendlich der Natur und natürlichen Gegebenheiten nachempfunden umgesetzt worden. Gemessen an dem finanziellen Aufwand bei vielen andern Natur- und Artenschutzmaßnahmen liegt dieses Projekt sicherlich im unteren vertretbaren Bereich.
Wie gut sich die Querungshilfe bezüglich der Effektivität bewährt, wird sich herausstellen – es fehlen einfach die Erfahrungswerte. Sie kann aber vielleicht als Maßstab für ähnlich gelagerte Fälle dienen, vor allem dann, wenn schon bei der Planung von Durchlässen/Unterführungen entsprechend tierfreundliche Querungshilfen vorgesehen werden .
Die nachträgliche Herstellung orientiert sich wie im beschriebenen Fall nur an den bestehenden Möglichkeiten, die zwangsläufig von „optimalen Bedingungen“ wesentlich weiter entfernt sind.
Der Verein Naturschutzhaus wird die Gesamtmaßnahme unter Beobachtung halten und notwendige kleine Maßnahmen zur Funktionserhaltung bei Notwendigkeit durchführen.
Bedanken dürfen wir uns an dieser Stelle bei der Gemeinde Schlangenbad, der Hessischen Straßenbauverwaltung, dem Regierungspräsidium Darmstadt – Frau Schmitz – für die Unterstützung bzw. gesamtplanerische Durchführung des Projekts.
Besonderer Dank gilt dem Ausführenden Herrn Neid, der durch seinen Ideenreichtum viele kleine Details zusätzlich eingebracht und entsprechend in die Praxis umgesetzt hat.
Wiesbaden, 08.09.2009
i.A. Richard Abt
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