Das bleiche oder weiße Waldvögelein hat im Vergleich zu den vorher vorgestellten Orchideen eine ganz andere Verbreitung; es ist auch gar nicht so selten. Man findet es auf feinen, kalkhaltigen Lehm-, Ton- oder Lößböden mit einer mehr oder weniger zersetzten Humusschicht. Es scheint lebenslang an einen bestimmten Mykorrhiza-Pilz gebunden zu sein. Das kann man daran erkennen, dass es auch auf lichtärmeren Standorten zur Blüte kommt und es eine hohe Tendenz zur Selbstbefruchtung hat: abgeblühte Triebe gelangen fast immer zur Samenreife, falls sie nicht von Reh- oder Rotwild abgefressen werden, die scheinbar das Waldvögelein als Delikatesse ansehen. Dieser oben erwähnte Mykorrhiza-Pilz kommt vornehmlich in Buchenwäldern vor, so dass man sagen kann, das bleiche Waldvögelein wächst – Ausnahmen gibt es bestimmt – vorwiegend in Buchenwäldern oder auf ehemaligen Buchenstandorten. Die Blüten sind cremeweiß und stehen nach oben. Sie öffnen sich allerdings nur bei sehr warmem Wetter oder hoher Sonneneinstrahlung. Allerdings gibt es an ungünstigen, das heißt zu dunklen Standorten einen hohen Anteil an sterilen Exemplaren, die keine Blüte, sondern nur Blätter ausbilden. Diese Blätter sind rinnig gefaltet, spitz oval und stehen über den ganzen Stängel verteilt. Im nichtblühenden Zustand ist das bleiche Waldvögelein an bestimmten Standorten sehr schlecht von der breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis helleborine) zu unterscheiden, mit der es auch oft zusammen vorkommt.
Im Rheingau ist diese unauffällige Orchidee vor allem an den lößhaltigen Hängen des Südabfalls zu finden – meist im Übergangsbereich zwischen Weinbau und Wald oder Restbiotopen, die nicht weinbaulich genutzt wurden. In diesen Restbiotopen, auch im dichten Buschwerk oder am Wegrand kann man diese Orchidee noch entdecken. Auch im Wispertal, auf den tonigen Schieferhängen auf kalkhaltigem Untergrund ist sie stellenweise sogar recht häufig.
Blüte: Juni, je nach Witterungsverlauf, cremeweiß, selten offen, steht nach oben; aber auch nichtblühende Pflanzen nicht selten;
Blatt: ungefleckt, rinnig gefaltet, spitz oval, stängelbegleitend, erscheinen ca. Ende April;
Vorkommen im Rheingau: auf Lößlehm oder kalkhaltigem Schieferlehm, meist im Halbschatten bis Schatten,
nicht selten, steht meist gesellig, das heißt, zu mehreren Exemplaren an einem Standort.