Um die Verwirrung noch zu erhöhen, kommt hier auch noch die spitzlippige Stendelwurz vor, die im Rheingau bis vor kurzem noch nicht erwähnt wurde. Mittlerweile ist sie eindeutig bestimmt und an einer Stelle kartiert worden. Im Gegensatz zur breitblättrigen Stendelwurz, der sie sehr ähnelt, hat die spitzlippige Stendelwurz – wie ihr Name schon sagt – ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal: die Lippe läuft vorne spitz zu. (Bei der Epipactis helleborine ist sie breiter und nach unten, hinten umgeschlagen). Dadurch sind sie eindeutig voneinander zu unterscheiden, obwohl sie sonst von der Blütenfarbe und dem Habitus fast gleich sind. Es ist immer wieder verwirrend, wie unterschiedlich sich Epipactis-Populationen auf einem Standort ausbilden können.
Je nach Lichtgenuß, Bodenqualität und Konkurrenz durch andere Pflanzen sieht es so aus, als ob nicht eine, sondern mehrere Arten zusammen vorkommen würden. Diese Variabilität ist bei der breitblättrigen Stendelwurz besonders stark ausgeprägt. Auch die spitzlippige Stendelwurz variiert standortbedingt. Die spitze Lippe ist aber immer ein eindeutiges Kennzeichen. Die Pollinien zerbröseln meistens schon kurz nach dem Öffnen der Blüte und hängen als gelbe Masse auf der Narbe. Die Einzelblüte ist mehr glockig nach unten geöffnet, weiß, rosa, grünlich oder cremefarben und hat – meistens – keine violettbraunen oder olivbraunen Farbtöne, wie es bei der breitblättrigen Stendelwurz der Fall ist. Außerdem blüht die spitzlippige Stendelwurz ca. zwei Wochen vor der breitblättrigen Stendelwurz.
Der Standort ist Epipactis-spezifisch: halbschattige bis schattige Laubwälder, bevorzugt Buchenwald. Die spitzlippige Stendelwurz steht auf feinkörnigem Lehm mit mäßigem Kalkgehalt und immer relativ luftfeucht. Hier haben wir es mit einer Orchideenart zu tun, die auf Nordhängen oder in Schluchtwäldern auf Aueböden vorkommt.
Blüte: Anfang/Mitte Juli, weißlich/grünlich/rosa mit spitzer Lippe ähriger Blütenstand,
Pflanze 30 bis 100 cm hoch;
Blatt: rinnig, stängelbegleitend, nicht so groß wie bei E. helleborine;
Vorkommen im Rheingau: bis jetzt nur an einer Stelle im Wispertal gesehen.