Neottia nidus-avis ((Vogel-)Nestwurz)

(Vogel-)Nestwurz
Neottia nidus-avis
(Vogel-)Nestwurz

Die Nestwurz gehört zu den sogenannten „Moderorchideen“. Diese Art von Orchideen haben sich von dem üblichen Pflanzenreich ausgegrenzt: sie bilden kein Chlorophyll mehr. Und ohne Chlorophyll, das den Pflanzenteilen ihre grüne Farbe verleiht, kann keine Pflanze die Photosynthese zur Energiegewinnung durchführen. Warum lebt eine Nestwurz trotzdem? Sie bildet ein dichtes, feines Wurzelknäuel mit einer Speicherknolle aus, was in sehr enger Gemeinschaft (Symbiose) mit bestimmten Pilzarten lebt. Das Wurzelknäuel erinnert ein bisschen an ein Vogelnest und gibt der Pflanze ihren deutschen Namen. Durch die enge Verflechtung können sich die Pilzhyphen sehr gut an der Wurzelhaut anlagern und der Orchidee Nährstoffe in Form von Zuckern zur Verfügung stellen. Dafür entnehmen sie der Wurzel mit Mineralstoffen gesättigtes Wasser, das aus dem Boden aufgenommen wird. Das können die Pilzfäden nämlich nicht so gut. So profitieren beide Partner von einander und die Pilze ermöglichen der Pflanze ein Leben ohne Chlorophyll.

Die Vogel-Nestwurz sieht hell- bis schmutzigbraun aus und kann selbst in den schattigsten Wäldern gedeihen, da sie ja kein Licht braucht. Der Blütenstand kann bis zu 30 cm hoch werden. Er ist mit vielen kleinen Einzelblüten – walzenförmig angeordnet – versehen. Blätter hat diese seltsame Orchidee meistens keine, ganz selten zwei dem Stängel anliegende Blattreste.

Die Nestwurz besiedelt gerne lehmige Böden auf Buchenstandorten (auch ehemaligen), da ihre „Pilzgefährten“ auch mit Buchenwurzeln zusammenleben. Diese Mykorrhiza (so nennt man solche Lebensgemeinschaften) ist für alle Partner so intensiv und förderlich, dass man heutzutage das vermehrte Waldsterben mit dem Absterben der Pilze durch zu niedrigen Boden-pH (zu hohen Säuregehalt) in Zusammenhang bringt. Interessant ist in diesem Sinne auch, dass fast alle Waldbäume solche spezialisierten Pilze benötigen von denen die Pilzsammler im Herbst die oberirdischen Fruchttriebe, sozusagen die Blüten, entwenden. Wenn es keine Pilze gäbe, gäbe es keine Waldbäume und keine Moderorchideen mehr. Epipactis-Arten und Cephalanthera-Arten sind scheinbar auf dem gleichen Kurs, ihren Energiebedarf vermehrt über Pilz-Mykorrhiza zu decken. Auch sie besiedeln sehr dunkle Standorte und beziehen ihre Lebenskraft zu einem gewissen Teil von den Bodenpilzen.

Die Neottia ist eine der häufigsten Orchideen, da sie immer wieder geeignete Rückzugsmöglichkeiten findet. So wächst sie zum Beispiel ohne Schwierigkeiten in einer vollkommen dunklen Fichtenschonung auf einem ehemaligen Buchenstandort. Hier hat sie keine Konkurrenz zu fürchten und kann sich ausbreiten. Hilfreich ist ihr dabei auch, dass sie sich vegetativ aus dem Wurzelgeflecht vermehren kann – deshalb stehen oft mehrere Exemplare auf einem Fleck – und dass sie ohne Insektenbesuch Samen ansetzen kann: sie ist autogam. Trotzdem kann sie natürlich auch von kleinen Fliegen oder Ameisen, die ihren leichten Honiggeruch verlockend finden, befruchtet werden.

Sie steht aber auch genauso oft im lichten Buchenwald zwischen Gräsern und anderen Pflanzen. Es ist nur sehr schwer, sie in der Blütezeit im Mai zwischen den frischen, wuchernden Jungtrieben der umgebenden Vegetation zu sehen. Im Winter hat man es dagegen leichter. Gerade auf einer dünnen Schneedecke stechen die hohen, charakteristischen Samenstände hervor und man kann das Vorkommen dann im Mai überprüfen.

Blüte: Mai/Juni, bräunlicher, walzenförmiger, dichtblütiger Blütenstand,

bis 40 cm hoch;

Blatt: kaum, wenn ja, dann nur dem Stängel anliegende Blattreste;

Vorkommen im Rheingau: in lehmigen Wälder, hauptsächlich auf (ehemaligen) Buchenstandorten.

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