(01/02 2005) Die Deutsche Bahn wird Hangsicherungsmaßnahmen im Mittelrheintal durchführen, die nachhaltig diese deutschlandweit einmalige Landschaft beeinträchtigen werden. Diese Landschaft ist UNESCO-Weltkulturerbe, Teil von FFH- und Vogelschutzgebieten und teilweise als Naturschutzgebiet ausgewiesen – um mal die wichtigsten Schutzkategorien zu nennen.
Die Maßnahmen will die Bahn ohne die erforderlichen Verfahren, wie Planfeststellung, Umweltverträglichkeitsstudie, FFH-Verträglichkeitsuntersuchung usw., ausführen. Im Gegenteil, sie verzichtet auf Innovationen und naturschonende Baumaßnahmen, auf Umwelt und Natur wird bei der Planung keine Rücksicht genommen, von Eingriffsminimierung oder -vermeidung keine Spur. Gerechtfertigt werden soll all dies mit dem Argument „Gefahr in Verzug“, was wir angesichts von Art und Umfang der geplanten Maßnahmen für maßlos überzogen halten.
Der Naturschutzhaus e.V. hat daher offiziell Beschwerde bei der Europäischen Union eingelegt, sowie UNSECO, das Bundesumweltministerium, Herrn Bundesumweltminister Trittin und verschiedene Naturschutzorganisationen in Kenntnis gesetzt.
Nachfolgend finden Sie verschiedene Dokumente und Schreiben als PDF-Dateien zur weiteren Information.
Schreiben vom 13.01.2005 an die Deutsche Bahn
Schreiben des NABU Rheinland-Pfalz aus dem Internet, auf das wir auch Bezug nehmen
Schreiben vom 09.02.2005 an die Deutsche Bahn
Bilder
Teufelskadrich
Das sind die Flächen, wo die Sofortmaßnahmen und später noch weitere Maßnahmen stattfinden sollen (über deren Umfang sich jetzt noch nicht geäußert wird).
Im Bereich des Naturschutzgebietes finden sich noch zwei weitere Maßnahmenflächen (Klemensgrund und Bodental).
Übrigens wurden und werden Hänge im ganzen Rheintal nach dem gleichen Verfahrensmuster „bearbeitet“.
Bilder aus Rheinland-Pfalz an, wo die Bahn schon weiter ist:
Engweger Kopf
Aufnahmen von einer „Sofortmaßnahme“ am unteren Engweger Kopf (FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet, im Weltkulturerbe). Leider hatte die Bahn damals noch nicht einmal Zeit, die Behörden zu informieren. Die Bilder zeigen den Zustand vor und nach der Maßnahme.
Wiederum vor Fertigstellung der einschlägigen Verträglichkeits- und Alternativenuntersuchungen und selbstverständlich vor Durchführung des immerhin noch vorgesehenen Planfeststellungsverfahrens will die Bahn dort erneut tätig werden. Diesmal sollen noch weitere 5 Fangzäune mit einer Gesamtlänge von ca. 280 Metern und einer Höhe von 3 Metern errichtet werden. So langsam wird der Platz knapp.
In einer „landschaftspflegerischen Einschätzung“ entlarvt sich die Bahn übrigens selbst. Dort heißt es auf Seite 13 wörtlich: „Zusammen mit den über die Sofortmaßnahme hinaus notwendigen Netzen ergibt sich eine überspannte Fläche von ca. 4500 m²“.
Es wurde also keineswegs nur die behauptete Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr durchgeführt. Zu diesem Sachverhalt würde uns einmal die Meinung der EU-Behörden interessieren. Die hessischen Naturschutzbehörden finden das anscheinend in Ordnung.
Maßnahme zwischen St. Goar und Bad Salzig
…und das im Weltkulturerbe Mittelrheintal.
Hier ist tatsächlich mal ein Hang abgerutscht und teilweise auf den Gleisen gelandet. Das besteitet auch niemand. Aber wie die Sicherung ausgefallen ist, verschlägt einem die Worte.
Übrigens: Die Bahn hat eingesehen, dass hier nicht alles bestens ist. Künftig wird es Eingriffsminimierungen geben. Anstelle der glänzenden Pfosten der Netze will man künftig nur noch Pfosten aus rostendem Material verwenden. Braucht das einen weiteren Kommentar?
Noch ein Hinweis für die Kollegen von den Naturschutzverbänden:
Sucht im Internet einmal nach der Wortkombination Geotechnik und Naturschutz. Wer da etwas Qualifiziertes findet, möge uns dies bitte mitteilen. Da scheint doch eine ganze Disziplin, die sich viel in der freien Landschaft bewegt, noch nicht allzu viel von Naturschutz gehört zu haben.
Aufruf an alle Geotechniker, die sich von diesem Vorwurf nicht angesprochen fühlen: Bitte melden!
Resümee
- Mehr als 10.000 Jahre nach der letzten Eiszeit…
- mehr als 1.000 Jahre nach der Einführung von Weinbau im Rheingau…
- mehr als 100 Jahre nach dem Bau der Bahnstrecke…
- etwa 10 Jahre nach der Ausweisung als Naturschutzgebiet…
- wenige Jahre nach der Meldung als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet und als Vogelschutzgebiet an die Europäische Union…
- kaum mehr als ein Jahr nach der Ausweisung des Weltkulturerbes Mittelrheintal…
- kaum zwei Jahre nach Beginn der Hangsicherungsplanungen durch die Bahn…
hat man festgestellt,
- dass es hier steil ist,
- dass man sofort Fangzäune mit einer Höhe von 5 bis 7,5 Meter Höhe errichten muss (so hohe Zäune gibt es außerhalb von Naturschutz- und FFH-Gebieten übrigens noch nirgends),
- dass man diese Zäune nicht nur an punktuellen Gefahrenherden, sondern durchgehend errichten muss (nur auf diesem kurzen Stück etwa 400 Meter Zaunlänge mit teilweise überlappenden Zäunen),
- dass man ebenfalls sofort weitere Gabionenmauern und Muren-Barrieren errichten muss,
- dass man kurz danach weitere „konstruktive Einzelmaßnahmen“ durchführen muss (hier befürchten wir weitere schlimme Dinge),
- dass man schon weiß, dass eine erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung des FFH-Gebietes und des Landschaftsbildes eintreten wird,
- dass man aber keine Zeit hat, die im FFH-Gebiet eigentlich vorgeschriebenen Verträglichkeits- und Alternativenuntersuchungen durchzuführen,
- dass man auch keine Zeit hat, ein reguläres Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen,
- dass man diese Untersuchungen und Verfahren besser nachreicht, wenn die Hauptmaßnahmen bereits ausgeführt sind.
Vielleicht hat man aber auch einfach nur festgestellt, dass man bei regulären Planungsabläufen auch einmal überdenken müsste, ob ein solcher Kampf gegen Natur und Landschaft wirklich noch zeitgemäß ist??
Wir haben hier übrigens den Verdacht, dass die Hänge an den Bahnstrecken des Mittelrheintales so befestigt werden sollen, dass man die nächsten 50 bis 100 Jahre dort keine Arbeit mehr hat (die Bahn will ja irgendwann an die Börse). Und das geht natürlich nur mit massiven technischen Eingriffen.
Auch wenn sich die Gefährdungssituation tatsächlich verschärft haben sollte, fragt man sich doch, warum plötzlich alle steilen und felsigen Hänge des Rheintales unter Verzicht auf sonst übliche Planungsabläufe mehr oder weniger massiv verdrahtet werden müssen.
Man fragt sich auch, ob hier noch schnell vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, bevor Dinge wie „Weltkulturerbe“, „FFH-Gebiet“ oder „Vogelschutzgebiet“ sich als wirkliches Planungshindernis darstellen können.
Der Status „Naturschutzgebiet“ bildet zumindest in Hessen ja sowieso keine Hürde mehr.